Drei Lebensgeschichten zwischen Fiktion und Realität. (DR) Der in Salzburg lebende Autor Vladimir Vertlib hat mit seinen Texten gezeigt, dass er ein großes Interesse an Geschichte im Allgemeinen und an konkreten Lebensgeschichten im Besonderen hat. Nach sehr literarischen Werken liegen nun Lebensgeschichten vor, die dem Autor erzählt, zur Dokumentation überlassen wurden. Vertlib nimmt die Funktion eines Chronisten ein, der die Aufgabe hat, Wichtiges für die Nachwelt zu sichern. Und so handelt es sich dabei auch um Zeitdokumente. Die Titelgeschichte erzählt nur vordergründig von einem Mörder, des Chronisten ersten Mörder eben, bei dem er zum Abendessen eingeladen ist. Der eigentliche Sinn des Treffens scheint darin zu liegen, davon zu berichten, dass der Vater im Krieg an einem Verbrechen beteiligt gewesen, also zum Mörder geworden ist. Wie dies das Kind erfährt, wie es damit umgeht und was das für die Vater-Sohn-Beziehung bedeutet, das alles ist in einem mit Humor unterlegten Bericht festgehalten. "Ein schöner Bastard" lässt eine Tochter über die Lebenstragik ihres Vaters erzählen, der als couragierter Mensch mit jüdischen Wurzeln mehrfaches Opfer von "-ismen" - politischen Systemen, die das 20. Jahrhunderte prägten - wurde. Der Bericht zweier Deserteure in "Nach dem Endsieg" geht besonders nahe. "Ende 1939 beschließen zwei junge Wiener, aus dem Nazireich zu flüchten." Mit diesem Satz beginnt auch Roberts Verfolgungs- und Leidensgeschichte. Während sein jüdischer Freund Karl sich in der Fremdenlegion durchschlug, wurde Robert denunziert, gefoltert und musste in den verhassten Krieg ziehen. Gerade dieser Bericht erscheint sehr lückenhaft, man wünscht sich, mehr zu erfahren. Zumal hinter dem Namen Robert Hamminger der Wiener Maler Roman Haller steht. Lebensgeschichten literarisch zu sichern, ist eine wichtige Aufgabe von Literatur. Sie halten lebendig, was allzu leicht vergessen wird. Gerade aus diesem Grund hätte ich mir aber gewünscht, dass Vladimir Vertlib besonders bei der Lebensgeschichte von Haller klarer zwischen Fiktion und Realität getrennt und nicht - wie die kurze Erklärung zu Beginn des Buches nahe legt - eine Synthese aus beidem gemacht hätte. Die LeserInnen können nicht beurteilen, was real ist und welche Details "der Dramaturgie der Texte untergeordnet" wurden, den Überlebenden tragischer Schicksale aber hätte die stärkere Nähe zur Realität wohl noch mehr Respekt verliehen.Vollständige Rezension lesen
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