Suchtfaktor u. Hochspannung, aber starke Schwächen
Ist ne extrem spannende Serie und nichts für schwache Nerven. Suchtfaktor ist garantiert.
Allerdings hat sie natürlich auch ihre schwachen Seiten.
Z.B. wirkt der Aufhänger "Echtzeit" teilweise etwas albern, wenn man bedenkt, dass dies dazu führt, dass alle Schauplätze nur einen Katzensprung vom HQ der CTU entfernt sind und ständig überall mit dem Hubschrauber hingeflogen werden muss. Zudem "beamte" sich ein Terrorist, zumindest soweit ich das verstanden hab, innerhalb von 20 Minuten aus einer afrikanischen Wüste nach L.A.
Dadurch dass außerdem ständig irgendetwas hoch-spannendes passiert, müssen natürlich Konstrukte gebaut werden, die wenig glaubwürdig wirken. Z.B. dass das CTU-Gelände fast gar nicht abgesichert ist. In der 1.Staffel sieht man wie eine Frau mit Kind direkt am Zaun der CTU entlangläuft, der zudem ein offenes unbewachtes Tor beinhaltet. Da fragt man sich, wieso die CTU nicht schon in die Luft gesprengt wurde, was dann auch prompt in der 2. Staffel passiert.
Und jede Situation soll Angst erzeugen, so dass Jack Bauer es sich zur Vorliebe gemacht hat, eine lebende Zielscheibe abzugeben, also statt Deckung zu suchen oder sich im Schatten entlangzubewegen, mitten aufs Gelände rennt und sich wild herumbewegt.
Zudem kommt auch seine Familie ständig in Gefahr, dies klärt sich zwar in der 1.Staffel noch logisch auf, aber in der 2. Staffel wirkt das schon unglaubwürdiger.
Aber natürlich passiert den Helden/Hauptpersonen nichts (wobei eine Person da eine Ausnahme darstellt, was ein Hoffnungsschimmer ist), während ihre Kollegen massenweise ins Grab beißen, ohne dass zu erkennen wäre, dass diese sich leichtsinniger verhalten hätten. Zumindest nicht noch leichtsinniger als J.B., denn bevor ein Agent mal zur Waffe greift, ist er evtl. schon Tod.
Neben dieser Realitätsferne kommt noch eine moralische Fragwürdigkeit hinzu.
Man mag diese Serie als Abbild der Realität ansehen, die nichts beschönigen, sondern viell. sogar zum Nachdenken anregen will.
Dies lässt aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Hauptfiguren, die Folter ausüben, eindeutig Sympathieträger sind und sich scheinbar sogar moralisch vor anderen auszeichnen. Vor dem Hintergrund, dass dies eine amerikanische Serie ist, ist sogar zu vermuten, dass dies ein Tribut an den Patriotismus des Bush-freundlichen Teils des amerikanischen TV-Publikums ist - also Folter und Morde im Namen der Freiheit und Gerechtigkeit legitimieren soll.
Diese Nachteile geben aber auch gleichzeitig Einblicke in "US-amerikanisches" Empfinden und in die Schwierigkeit von dramaturgischen Konstruktionen.
Wenn einem also bei dieser moralischen Position der Serie, bzw. bei der gezeigten brutalen Gewalt - davon gibts nämlich ne ganze Menge - nicht schlecht wird und man sich nicht von ihr vereinnahmen lässt, sowie über die logischen Schwächen hinwegsehen kann, dann kann man eine durchweg spannende Geschichte erleben, die auch vor der Darstellung tiefergehender Beziehungen nicht zurückschreckt und Themen wie soziale Benachteiligung und Rassismus zum Gegenstand macht.
Zudem geht alles immer sehr schnell und man(?) hofft die ganze Zeit sowieso nur dass die Hauptfiguren überleben, so dass einem keine Zeit bleibt wirklich kritisch zu reflektieren und alle Schwächen und Ungereimtheiten zu bemerken/realisieren. Dies sollte man aber natürlich wenigstens hinterher tun.Vollständige Rezension lesen
