Merkwürdig - schon so viele Philosophen haben die Philosophie für beendet und für gescheitert erklärt. Richard Rorty gehört zu ihnen; immerhin war der amerikanische Vertreter des "Neo-Pragmatismus" dann aber so konsequent, daß er seine Professur für Philosophie aufgab und statt dessen "vergleichende Literaturwissenschaft" lehrte. In seinem Hauptwerk „Der Spiegel der Natur. Eine Kritik der Philosophie“ ist der Untertitel Programm: eine Abrechnung mit der Erkenntnisphilosophie und ihren bedeutendsten Vertretern René Descartes, John Locke und vor allem natürlich Immanuel Kant. - In Deutschland gegen Kant Position zu ergreifen ist natürlich ein Sakrileg, möglicherweise hat deswegen Richard Rorty nicht die Rezeption erfahren, die er verdient hätte. Interessanterweise begegnete mir (deshalb?) das Buch 1987 während meines Philosophiestudiums nicht bei den Philosophen, sondern in einem fächerübergreifenden Kolloquium mit Theologen und Pädagogen. Vielleicht lag es am ethnozentrischen Ansatz von Rorty? Oder an Sätzen wie diesem: "Wir können das Erkennen als soziale Rechtfertigung von Meinungen verstehen (...) und brauchen es daher nicht als Genauigkeit von Darstellungen aufzufassen. Setzen wir für Kommunikation das Gespräch zwischen Personen, für Konfrontation das Gegenüberstellen von Personen- und Sachverhalten, so können wir uns des Spiegels der Natur entledigen." Soziale Rechtfertigung von Meinung als Erkennen? Da sei aber Plato vor! Und unter "Konfrontation" versteht man psychologisch natürlich auch etwas anderes. Egal, ob man Rorty nun beipflichtet oder seine Thesen und Schlüsse ablehnt... - ein interessantes Buch ist es allemal, das man aber nicht als erstes philosophisches Werk angehen sollte. Denn einige philosophiegeschichtliche Vorkenntnisse sind hier unabdingbar. Wer Rorty's Position etwas kompakter und auf ein enger gefaßtes Thema verstehen möchte, dem sei sein Vorwort zu "The Linguistic Turn" empfohlen. Hier zeigt er auf, daß die analytische Sprachphilosophie auf einem Irrweg (nämlich dem erkenntnistheoretischen) ist, wenn sie philosophische Probleme mithilfe einer konstruierten Idealsprache zu lösen versucht. Auch daß es nicht möglich ist, sich mit Sprache (oder auch die Sprache) besser zu verstehen... - nun, das spätestens wissen wir seit Paul Watzlawick. Denn für diesen war Kommunikation eine Aneinanderreihung von Mißverständnissen.Vollständige Rezension lesen
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